„Wenn ich jemals feindselig war, dann gegenüber der Dummheit und gegenüber der Verletzung von Menschenrechten.”

Quelle und weitere Zitate

Das Vermächtnis der „Weißen Rose“

In diesen Tagen des Februar 2023 jährt sich das traurige Ende der studentischen Widerstandsgruppe „Die Weiße Rose“ zum achtzigsten Mal. Immer, wenn ich an die Geschehnisse des Februar 1943 denke, erfasst mich ein Gefühl des Schreckens und der Bewunderung zugleich. Schrecken darüber, was Menschen anderen Menschen im Namen einer Ideologie bereit sind anzutun. Und Bewunderung angesichts des Mutes, sich unter Einsatz des eigenen Lebens für eine bessere Welt einzusetzen.

Und was lesen wir in Deutschland im Wesentlichen anlässlich dieses Gedenktages? Der Bundespräsident ruft in Gedenkreden im Kern zur Festigung der Demokratie auf. Nicht, dass ein Hohelied auf die Demokratie grundsätzlich eine schlechte Idee ist. Wir alle wissen, eine bessere, insbesondere friedlichere Gesellschaftsform konnte bis dato niemand finden. Wir sind gut beraten, sie gegen innere und äußere Feinde zu verteidigen. Aber wird das Kernthema „Demokratie“ der Weißen Rose gerecht?

Die ersten Zweifel kommen auf, wenn man schaut, wann beispielsweise Sophie Scholl geboren wurde. Sie war gerade einmal elf Jahre alt als die Weimarer Republik ein Ende fand. Diese kurze Demokratie hatte in der gesamten Bevölkerung jener Zeit kaum nachhaltige Spuren hinterlassen. Das wird bei einem so jungen Mädchen kaum anders gewesen sein. Die Beweggründe für den Widerstand lagen eher auf einer anderen, höheren Ebene: Christliche Werte, Humanismus, Freiheitsgedanken, Zivilcourage, moralischer Anstand. Wer nun hinterfragt, warum diese Werte höher stehen als eine Demokratie, muss sich nur anschauen, wie selbst Demokratien nicht selten dagegen verstoßen.

Nehmen wir ein aktuelles Beispiel. Dass der aktuelle Kriegstreiber ein Verbrecher ist, der für seine ideologischen Ziele im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen geht, war schon vor dem Krieg gegen die Ukraine und auch vor dem völkerrechtswidrigen Angriff auf die Krim und östliche Teile der Ukraine offensichtlich. Das hat den o.g. Redner in seiner früheren Funktion innerhalb der Bundesregierung nicht davon abgehalten, nicht nur fleißig Geschäfte mit dem Verbrecher im Sinne unseres Wohlstands zu machen, sondern unsere Demokratie zugleich in immer größere Abhängigkeit von einem Gewaltregime zu bringen. Hören wir deshalb in den Worten des Bundespräsidenten nichts über moralischen Anstand, einer so wesentlichen Motivation der Weißen Rose?

Ein anderes Beispiel. Der Inhaber des höchsten Regierungsamtes in Deutschland hat seit dem Überfall auf die Ukraine auffällig häufig die Angst vor einem Atomkrieg geschürt. Man könnte fast den Eindruck haben, noch häufiger als der Kriegstreiber persönlich. Das Motto wirkte auf mich wie „bei allem Schrecken über den Krieg und das Abschlachten der Zivilbevölkerung in unserer Nachbarschaft, lasst uns schauen, dass es uns nicht alle Kopf und Kragen kostet“. Der beschämende Brief deutscher „Prominenter“, denen es am liebsten gewesen wäre, die Ukrainer hätten sich schnellstens ihren Schlächtern unterworfen, brachte diese Haltung auf den Punkt. Im Grunde lesen wir hier nichts anderes als das Ende jedweder Zivilcourage. Für Humanismus, gegen Unterdrückung – sogar in unserer Nachbarschaft – sind wir offenbar nicht bereit, Kopf und Kragen zu riskieren. Im Grunde war Deutschland kaum bereit, für Humanismus Prozentpunkte des Wirtschaftswachstums zu opfern. Lesen wir deshalb in den Sonntagsreden des Gedenkens so wenig über Zivilcourage?

Im Grunde wohnen wir hier einem absurden Theater bei, als Zuschauer und Akteure zugleich. Wir bewundern die Ziele und die Opferbereitschaft der jungen Menschen der Weißen Rose. Aber was sind wirklich unsere Werte? Und zu welchen Opfern sind wir selbst bereit?

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