Neolithikum – Die erste missratene Revolution?
Wie in einem früheren Artikel der Rubrik „à propos“ angekündigt, begeben wir uns auf eine Zeitreise. Eine Zeitreise, um Revolutionen der Menschheit aufzuspüren, die nicht wirklich gut ausgegangen sind, deren Folgen uns möglicherweise noch heute beschäftigen. Eugène Ionesco hat in einem Zitat mal angemerkt, dass er insbesondere Revolutionen der „zurückliegenden 200 Jahre“ meinte, die „eine nach der anderen übel ausgehen“. Wir gehen nun deutlich weiter zurück, etwas genauer gesagt ca. 10.000 – 20.000 Jahre vor unserer Zeit.
In diesem Zeitraum hat sich mit der sogenannten „Neolithischen Revolution“ für den Menschen etwas sehr Grundlegendes verändert. Vor dieser Zeit war der Mensch gänzlich Teil der Natur. Er lebte in und von der wilden Natur. Und er verging, wenn die natürlichen Begebenheiten ihm nicht wohl gesonnen und keine besseren Bedingungen in Reichweite waren. Das Neolithikum bedeutete einen Wendepunkt: Der Mensch wurde sesshaft, kultivierte Pflanzen und Tiere. Auf diese Weise war er in der Lage, sich ein ordentliches Stück weit von Mutter Natur zu emanzipieren. Nebenbei legte diese zunehmende Sicherheit den Grundstein für die enorme Vermehrung, die die Gattung Mensch seit dieser Zeit erfahren hat.
Nun, wo ist das Problem? Wer möchte heute noch mangels Vorratshaltung verhungern, von einem Säbelzahntiger überrascht oder von Witterungsbedingungen gepeinigt werden? Es handelt sich um eine Revolution, die eher als nächster logischer Entwicklungsschritt der Menschheit in Erinnerung bleibt. Die ganze Aufmerksamkeit gilt aber der Ausgestaltung und den Grenzen dieser Revolution. Nehmen wir ein Zitat aus der bemerkenswerten, zum Nachdenken anregenden TV-Serie „Yellowstone“: „Wir haben irgendwann angefangen, nur noch auf dem Planeten zu leben, nicht mehr mit ihm.“ Weiten Teilen der Menschheit scheinen tatsächlich Respekt und Demut vor der Natur verloren gegangen zu sein. Wer Belege dafür sucht, wird sie massenhaft finden, in Unternehmen, in der Politik, in der Nachbarschaft, in sich selbst. Des Menschen Motto scheint einem früheren James-Bond-Film nachempfunden: „Leben und sterben lassen“. Weitgehend ohne Empathie gegenüber Pflanzen und Tieren vermehrt er sich fleißig weiter, richtet es sich gemütlich in seiner immer steriler und unnatürlicher werdenden Welt ein. Die Vielfalt in der Streaming-Bibliothek ist ihm längst wichtiger als Biodiversität auf dem Planeten. Und aktuell liefern ihm wenig selbstreflektierte Klimaaktivisten einen „schönen“ Grund, alle Zweifel an seinem Lebenswandel als Spinnerei, Heuchelei oder Neidreflexe zu betrachten. Aber am wahren Kern des Themas wird der Mensch nicht mehr lange vorbeikommen. Er wird wieder lernen müssen, dass er nur als Teil der Natur überlebensfähig ist und dass ein Überleben auch nur auf einem lebenswerten Planeten ein erstrebenswertes Ziel ist.
Um noch einmal auf Eugène Ionesco zurückzukommen: In vielen Themen hat der französische Dramatiker zum Nachdenken angeregt oder indirekt aufgerufen. Im Falle der Neolithischen Revolution und unseres Umgangs mit der Natur wäre ein Appell nicht nur an den Verstand gerichtet, sondern auch an unser Herz, d.h. unsere Fähigkeit zur Empathie. Auf der reinen Ratio-Ebene ist den schwerwiegenden negativen Folgen der Ausgestaltung der Neolithischen Revolution kaum beizukommen.