„Wenn ich jemals feindselig war, dann gegenüber der Dummheit und gegenüber der Verletzung von Menschenrechten.”

Quelle und weitere Zitate

Verheerende Signale aus der Bundesregierung

Auf der heutigen Titelseite der FAZ wird wenig prominent eine Aussage des aktuellen Bundeskanzlers erwähnt, in der dieser sich dagegen ausspricht, russischen Bürgern Reisen in den EU-Raum zu verweigern. Deutschland hat gemäß FAZ in diesem Jahr bereits 14.000 Visa an Russen für den Schengenraum ausgestellt. Die schlichte Denkweise des Kanzlers: Es sei ja der Krieg des Kreml-Chefs, die Zivilgesellschaft dürfe dafür nicht bestraft werden. Und das aus dem Munde des obersten Regierungsvertreters eines Landes, das Jahrzehnte lang den nachwachsenden Generationen versucht hat zu erklären, dass die dunkelste Episode unseres Landes nicht allein Hitlers Werk war. Großartige Biographen wie bspw. Joachim C. Fest und Ian Kershaw haben sehr eindrucksvoll dargelegt, wie eine Zivilgesellschaft Diktatoren und Kriegstreiber erst möglich macht, sei es durch Wegschauen, stille bis offene Zustimmung oder auch opportunistisches Mitmachen. Es waren Deutsche aus der Mitte der Zivilgesellschaft, die sich zu Ungeheuerlichkeiten haben mitreißen lassen oder diese mehr oder weniger zustimmend geschehen ließen. Russland erlebt gerade vergleichbare Zusammenhänge zwischen Führung und Zivilgesellschaft. Den deutschen Bundeskanzler sollte man fragen, warum sich sein Amtsvorgänger und Parteikollege Willy Brandt einst in Warschau niederkniete und dafür weltweite Anerkennung erntete. Es war doch gemäß der Logik des aktuellen Kanzlers nur Hitlers Krieg. Und Willy Brandt persönlich war sogar nachweislich während des Kriegs als Regimegegner im Exil. Aber Willy Brandt spielte als Staatsmann noch in einer anderen Liga als der Kanzler-Darsteller unserer Zeit. Er wusste, dass sich eine ganze Zivilgesellschaft schuldig gemacht hatte. Bis auf wenige rühmliche Ausnahmen hatte diese Gesellschaft die abscheulichsten Taten viele Jahre geschehen lassen. Niemand, der klar denken kann, würde heute sagen, man hätte den Deutschen während des zweiten Weltkriegs alle Reisen ermöglichen müssen, während ihre Verwandten, Freunde, Mitbürger ihr Gemetzel in Europa fortsetzten.

Die bessere Botschaft an die Menschen in unserem Land und weltweit wäre gewesen: Es gibt keine Trennung zwischen Führung und Zivilgesellschaft. Jeder übernimmt eine Rolle und ist für diese verantwortlich. Wenn jemand Verbrechen begeht, ist er verantwortlich. Wenn jemand Verbrechen sieht und schweigt, ist er verantwortlich. Niemand darf sich hinter Worten wie „Zivilgesellschaft“ verstecken oder einfach systematisch wegschauen, um erst gar nichts das Gewissen Belastendes zu erfahren. Es kommt auf jeden Einzelnen an, nicht nur auf sogenannte „Führer“ oder „Dikatoren“. Jeder ist nicht nur seines Glückes Schmied, sondern trägt mit seinem Verhalten auch dazu bei, die Welt entweder besser oder schlechter zu machen. Jedes andere Signal, jeder moralische Freibrief für eine Zivilgesellschaft ist verheerend und wird dazu beitragen, dass es immer wieder düstere Kapitel gibt, wie wir sie vor vielen Jahrzehnten in Deutschland erlebt haben. Wenn ein Bundeskanzler das nicht versteht, sollte er dem Land nur noch einen großen Dienst erweisen, und zurücktreten.

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