„Ein Werk ohne Wahrheit ist auch künstlerisch nichts wert.”

Quelle und weitere Zitate

Fernsehspiel: Schlamm

Am 4. Januar 1971 wird im "Westdeutschen Fernsehen" (WDR) das Fernsehspiel "Schlamm" ("La vase") uraufgeführt. Der Film ist bis heute eine Rarität im deutschen Fernsehen, die nach Kenntnis des Autors dieser Website zuletzt anlässlich des Todes Eugène Ionescos am 28. März 1994 ausgestrahlt wurde. Aus Anlass des Todes des weltweit bekannten Dramatikers wurde das Programm des Senders Ende März 1994 kurzfristig umgestellt. Die Moderatorin, Gabriele Wahle-Briefs, kündigte den Film wie folgt an:

"Eine längere, mit Satz- und Gliedfetzen unterlegte Anfangssequenz zeigt den Privatmann Ionesco in seinem Landhaus in Paris, wie er sich im spielerischen Umgang mit Kostüm und Maske auf seine erste Rolle und sein erstes Auftreten vor der Kamera vorbereitet. Das danach einsetzende Spiel verläuft auf zwei Ebenen: Durch extreme Helligkeit setzen sich die Bilder der Erinnerung von den als real erlebten Elementen der Handlung ab. Den ursprünglich in französischer Sprache aufgenommenen Monolog, der die Handlung begleitet, sprach Ionesco auch in der deutschen Fassung."

Nicht ganz korrekt war möglicherweise der Hinweis auf das Landhaus in Paris. Der Film spielt im Wesentlichen ein deutliches Stück weiter westlich von Paris, in und um das Dorf La Chapelle-Anthenaise, in dem Eugène Ionesco einen Teil seiner Kindheit verbrachte. Eine Szene spielt im nahe gelegenen L'Huisserie, was ein Ortsausgangsschild am Rande des Bildes verrät.

Die Novelle als Grundlage

Das Fernsehspiel basiert ziemlich exakt auf Ionescos erzählerischer Grundlage "La vase" ("Der Schlamm") aus dem Jahre 1956. Nimmt man diese erst im Jahre 1970 im Band Théâtre V veröffentlichte Novelle zur Hand, hat man den Eindruck, das Drehbuch zum Film zu lesen. Spuren zu einer Veröffentlichung zwischen 1956 und 1970 sind keine zu finden. Warum Ionesco den Stoff erst vierzehn Jahre nach der Niederschrift wieder aufnahm, ist nicht bekannt.

Eugène Ionesco über den Film

Im Interview, das Ulrich Wickert gegen Ende der 80er Jahre mit Eugène Ionesco geführt hat, äußert sich der Dramatiker wie folgt über seinen Film:

"... Danach einen Film, in dem ich selber gespielt habe. Er heißt 'Schlamm'. Die Hauptfigur in diesem Film löst sich auf - moralisch, geistig und physisch. So sehr, dass sie ihre Beine verliert, dass sie ihre Arme verliert. Und schließlich bleibt ihr nur noch der Mund übrig. Ein Auge, um den Himmel zu betrachten, und der Mund, um zu sagen: 'Ich werde wieder von vorne anfangen. Ich liebe diese Welt nicht.' Er bittet Gott um eine neue Offenbarung. Um einen neuen Kosmos."

Impressionen aus dem Fernsehspiel

Ausgewählte, von Ionesco gesprochene Monologe

Früher war für mich jedes Erwachen ein Triumph.
– Erste Monologsequenz im Film. Ionesco während Gymnastikübungen.

Er wirkt noch sehr jung. Er wirkt noch jung. Er wirkt noch sehr jung.
– Ionesco betrachtet sein Gesicht genauer im Spiegel.

Die Hälfte würde mir genügen.
– Mit Blick auf die für eine Person absurd zahlreichen Speisen.

Das Los des Menschen ist keineswegs vollkommen.
– Ionesco beobachtet die älteren Menschen im Dorf.

Welches Zeichen. Welche Drohung. Welche Warnung.
– Es spukt im Haus. Fremde Menschen beobachten ihn.

Ist es so schlimm, sich fallen zu lassen?
– Ionesco befindet sich bereits in Zerfall und Lethargie.

Es ist weder sinnvoll zu leben noch nicht zu leben.
– Ionesco sitzt immer noch lethargisch in seinem Stuhl.

Den Augenblick nicht mehr hassen. Sich wohl fühlen. Im Augenblick zu Hause sein.
– Sich mühsam anziehend in einem bereits zerfallenen Haus.

Leute, die mir helfen werden. Mich retten. Wovor retten?
– Ionesco will Freunde aufsuchen und Menschen um Hilfe bitten.

Vielleicht habe ich das alles nur geträumt. Vielleicht bin ich immer schon hier. Oder ich habe niemals gelebt, in dieser Welt.
– Ionesco liegt bereits in einer Art Agonie im Schlamm.

Ich habe alles falsch gemacht. Gewiss. Aber ich werde von vorn anfangen. Alles beginnt von vorn.
– Kurz vor dem Ende des Films.

Detailangaben zur Produktion

Realisation: Heinz von Cramer

Kamera: Rudolf Körosi

Ausstattung: Tetsumi Kudo

Musik: Wolfgang Dauner (Fred Braceful, Jürgen Karg, Eberhard Weber)

Kameraassistent: Ulreich Heiser

Script: Marty Vlasak

Aufnahmeleitung: José They

Maske: Peter Müller

Ton: Ursula Körösi, Schnitt: Barbara Mondry

Produktion: Victor Staub, MONTANA-Film, Zürich

Im Auftrag von: wdr Westdeutsches Fernsehen